USA. Schon lange ist bekannt, dass
Frauen weitaus häufiger die Diagnose „Depression“ erhalten als Männer.
Dies liegt offenbar nicht unbedingt an einer vermehrten „Anfälligkeit“
oder der besonderen soziale Rolle von Frauen. Wie eine Studie von J. A.
Brommelhoff und Mitarbeitern aufzeigt, scheint es sich teilweise um eine
auf Vorurteilen beruhende Verzerrung der wirklichen Verhältnisse zu
handeln. Die Autoren hatten 205 Erwachsene, die teilweise miteinander
verwandt waren, nach depressiven Symptomen bei sich selbst bzw. bei den in
der Studie mitwirkenden Verwandten eingeschätzt. Der Vergleich zwischen
Eigen- und Fremdbeurteilung ergab, dass weiblichen Angehörigen fast
dreimal so oft depressive Symptome zugeschrieben wurden (8,9 Prozent) als
männlichen (3,6 Prozent). Außerdem nahmen die Angehörigen bei weiblichen
Familienmitgliedern sieben Mal häufiger an als bei männlichen, dass die
vermutete Depression Ursachen hatte, die in der Person der Kranken
begründet waren, also nicht auf Umweltbedingungen beruhten.
Nach
Ansicht von Brommelhoff und Mitarbeitern besteht durchaus die Möglichkeit,
dass familiär tradierte Sichtweisen eine Überdiagnostik depressiver
Erkrankungen bei Frauen fördern. Dazu können sowohl innerfamiliäre
Prozesse als auch die beschriebene einseitige Krankheitszuschreibung
beitragen. Letztere kann Frauen dahingehend sensibilisieren, dass sie
bereitwilliger bei sich selbst depressive Symptome wahrnehmen. Ärzten
raten die Autoren, Fremdanamnesen mit Vorsicht zu begegnen, wenn diese
weiblichen Angehörigen Depressionen nachsagen.
J. A. Brommelhoff u. a.: Higher rates of depression in
women: role of gender bias within the family. Journal of Women´s Health.
2004 (13) 69-76 |