Großbritannien. Wer
depressiven Frauen zu einer Freundin verhilft, fördert den Heilungsprozess.
Auf diese Möglichkeit verweist eine randomisierte kontrollierte Studie
von T. Harris und Kollegen. In ihr vermittelten die britischen
Wissenschaftler 43 chronisch depressiven Frauen eine „Freundin“. An
dieser Rolle interessierte Frauen hatten sich auf eine Zeitungsannonce
gemeldet und waren drei Samstage lang geschult worden. Das
„Anfreunden“ sah vor, daß sich die „Freundin“ mir ihrer
„Depressiven“ wenigstens eine Stunde pro Woche traf und „als
Freundin“ zur Verfügung stand, indem sie zuhörte oder einfach „nur für
die Kranke da war“.
Bei denjenigen depressiven
Frauen, die sich auf den kompletten 12monatigen Versuch einließen (17
Personen), kam es in 76 Prozent der Fälle zu einer Remission; bei zwei-
bis sechsmonatiger Teilnahme (8 Personen) betrug die Heilungsrate 63
Prozent. In der Kontrollgruppe mit ebenfalls 43 Teilnehmerinnen erreichte
die Remissionsrate dagegen nur 39 Prozent. Solche „Erfolgsquoten“ sind
mit denjenigen vergleichbar, die in Arzneimittelstudien erzielt werden.
Die Autoren räumen ein, dass
weniger als die Hälfte aller potentiellen Kandidatinnen sich für eine
Teilnahme an der „Freundschaftsstudie“ interessierte. Die besondere
Vorgehensweise eignet sich somit sicherlich nicht für alle depressiven
Frauen gleichermaßen. Eventuell spricht sie vor allem solche Patientinnen
an, die sich auf andere Behandlungsangebote weniger leicht einlassen. Da
es sich um einen außergewöhnlichen und noch wenig bekannten
Therapieansatz handelt, vermuten Harris und Kollegen, dass sich mehr
Betroffene darauf einlassen könnten, wenn die Methode vom Hausarzt
empfohlen und sich bereits ausreichender Bekanntheit erfreuen würde.
In einer weiteren Auswertung der
Studiendaten stellen die britischen Wissenschaftler fest, dass vor allem
die „Erfahrung eines neuen Anfangs“ (die Vermittlung von Hoffnung etwa
durch eine neue Ehe), das Ausbleiben neuer schwerer Stressoren und ein
normaler „Bindungsstil“ eine Remission wahrscheinlicher machen.
Umgekehrt lasse sich sagen, dass chronisch Depressive zu komplizierten
zwischenmenschlichen Beziehungen neigen (die ihrerseits neue belastende
Ereignisse heraufbeschwören) und wenig Raum für „Neustarts“ lassen.
T.
Harris u.a.: Befriending as an intervention for chronic depression among
women in an inner city. 1: Randomised controlled trial. British Journal of
Psychiatry 1999 (174) 219-224; T. Harris u.a.: Befriending as an
intervention for chronic depression among women in an inner city. 2: Role
of fresh-start experiences and baseline psychosocial factors in remission
from depression. British Journal of Psychiatry 1999 (174) 225-232
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